Der 6. Thementag am 06.11.10

15. November 2010 BdS-Verein7 Minutes

„Barrierefreiheit in den Angeboten des Norddeutschen Rundfunks“ und „Kultur für Schwerhörige – warum induktive Höranlagen?“

Der Thementag ist inzwischen ein fester Bestandteil im Veranstaltungskalender des BdS. Er fand diesmal zum sechsten Mal statt und war mit über 50 Teilnehmern sehr gut besucht.

In seiner Begrüßung wies der Vorsitzende Dr. Hans-Hagen Härtel darauf hin, dass der BdS bei den beiden Themen, über die am Vormittag referiert wurde, bereits aktiv ist. Der BdS arbeitet im Gremium des NDR zur Barrierefreiheit mit und gibt über die in Hamburg installierten Höranlagen eine ständig aktualisierte Broschüre heraus.

Die beiden Vorträge am Vormittag von Michael Gessat und Carsten Ruhe umspannten ein weites Feld zum Thema Barrierefreiheit für Schwerhörige und Ertaubte, von Untertiteln im Fernsehen bis zu den baulichen Voraussetzungen für eine gute Akustik.

Seit einem Jahr gibt es beim NDR das Projekt „Barriererfreier Rundfunkzugang“. Erfreulicherweise konnte der BdS den Projektleiter Michael Gessat dazu gewinnen, auf dem Thementag über den aktuellen Stand zur Barrierefreiheit zu referieren und einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung zu geben. Recht schnell meldeten sich Teilnehmer zu den verschiedensten Fragen, warum in Talk-Shows immer alle durcheinander reden, bei Live-Sendungen keine Eins zu Eins–Untertitel bzw. nur Untertitel mit Verkürzungen und Lücken eingeblendet werden und warum in Spielfilmen und Dokumentationen so zahlreiche Hintergrundgeräusche eingespielt werden und bei fremdsprachlichen Texten Originalsprecher und Übersetzer mit fast der gleichen Lautstärke reden, so dass oft keiner zu verstehen ist.

Herr Gessat legte alsbald seinen vorbereiteten Vortragstext beiseite, und es entspannte sich eine lebhafte Diskussion mit den Teilnehmern, in der der Referent immer wieder auf den Konflikt zwischen den berechtigten Ansprüchen und technischen und praktischen Möglichkeiten aufmerksam macht.

So ist es z.B. nicht möglich, eine Talkshow mit 1-1-Untertiteln zu versehen: die Redegeschwindigkeit ist schneller als die Lesegeschwindigkeit – der UT-Nutzer würde beim Lesen nicht hinterherkommen. Bei Live-Sendungen muss sich das Team der Untertitelredaktion das Gesagte anhören und zugleich eine möglichst getreue Zusammenfassung formulieren, die von einer Spracherkennungssoftware in die Schriftform der Untertitel umgewandelt und in die laufende Sendung eingeblendet wird. Es gibt bei den Rundfunkanstalten UT-Richtlinien, die u.a. die Einblendzeit eines UT vorschreiben. Bei den Talkshows wird mehr gesprochen, als UT eingeblendet werden können, so dass diese sinngemäß zusammengefasst werden müssen. Herr Gessat war durchaus bereit, Kritik anzunehmen, etwa die Tatsache, dass bei Nachrichtensendungen aktuelle Meldungen des Öfteren aus Zeitmangel nicht untertitelt sind.

Im Ausblick auf die weitere Entwicklung wurde das Ziel, mittelfristig 50% des Fernsehprogramms mit UT anzubieten, genannt, insbesondere mehr regionale Sendungen, mehr Sport, beliebte Serien und Filme, Talkshows, mehr Kultur und 100 % im Abendprogramm.

Zu den Hintergrundgeräuschen sind wir Betroffenen und Verbände aufgefordert, immer wieder dieses Problem bei den Rundfunkanstalten anzumahnen, damit die Verantwortlichen überhaupt ein Verständnis für unsere Probleme entwickeln können.

Schwerpunkt des nächsten Referates von Carsten Ruhe (Referat  Barrierefreies Planen und Bauen im DSB) waren die baulichen Vorschriften für eine gute Akustik in Gebäuden und die Einsatzmöglichkeiten von Höranlagen in den Räumen öffentlicher Ein-richtungen. Herr Ruhe machte die Teilnehmer mit den Grundlagen in Baugesetzen und DIN-Normen vertraut und wies darauf hin, dass in der Neufassung der DIN 18040-1 und 18041 (barrierefreies Bauen)  erstmals auch die Anforderungen an die kommunikative Barrierefreiheit für Hörgeschädigte festgehalten ist. Aber auch in anderen Gesetzen und Regelungen gibt es hierzu Vorgaben: Bundes- und Landesgleichstellungsgesetz, Richtlinien des Europäischen Parlaments.

Höhepunkt des Referates waren die Klangbeispiele aus einer Kirche, ohne und mit Höranlage. Während bei den Beispielen ohne jegliche Technik und dann mit Lautsprechern die Sprachverständlichkeit relativ gering war, ging bei dem Klangbeispiel mit einer Höranlage ein „aaahhh“ und „ooohhh“ durch den Saal, die Sprache war nun problemlos zu verstehen.

Zu der Barrierefreiheit gehört jedoch nicht nur die Akustik, als weitere Situationen wurden z.B. die Gegensprechanlage am Hauseingang oder das Notrufsignal im Aufzug genannt, die an die besonderen Anforderungen für Schwerhörige angepasst werden müssen.

Nach der Mittagspause konnten die Anwesenden Workshops besuchen. Es standen 2 Themen zur Auswahl:

Bettina Grundmann, Hörberaterin beim BdS, stellte die verschiedenen Systeme von FM-Anlagen vor mit all den verschiedenen Varianten an Empfängern und Sendern. Bei dem Workshop bestand die Möglichkeit, die FM-Anlagen von den Teilnehmern zu testen und mit der FM-Anlage dem Workshop kurzzeitig zu folgen. Am Rande wurden dann noch Hinweise zu Telefonen und technischen Details (z.B. dass auch die Telefonspule am Hörgerät programmiert werden kann) gegeben.

Christian Möller von der Firma Cochlear stellte die unterschiedlichen Zubehörkabel für die aktuellen Sprachprozessoren von Cochlear vor. Pascal Thomann, Leiter der CI-Gruppe im BdS, ging auf Zubehörkabel der Firma Advanced Bionics und Medel sowie auf andere technische Hilfsmittel wie  Induktionsschleifen ein.

Zum Ende der Veranstaltung bedankte sich Herr Härtel bei den Referenten Michael Gessat und Carsten Ruhe, den Anwesenden für die rege Teilnahme an den lebhaften Diskussionen und zahlreichen Gesprächen. Ein weiterer Dank galt den Schrift-dolmetschern, die die Vorträge verschriftlichten, den ehrenamtlichen Helfern, die in den Pausen für Speis und Trank sorgten und dem Team mit Bettina Grundmann, Matthias Schulz und Pascal Thomann für die Organisation dieser rundweg gelungenen Veranstaltung.

Nicht zuletzt gilt unser Dank der Firma Cochlear, die durch ihre finanzielle Zuwendung und persönliche Unterstützung den diesjährigen Thementag erst ermöglicht hat.

Bettina Grundmann